Schon bald nach der Gründung des „neuen“ Schönstatt 1914 beschäftigten sich die Jungen mit der Spiritualität dieses Kapellchens. Sie kamen nach und nach auf den Gedanken, dass dieses ihr kleines Heiligtum ein Gnadenort ist und fingen an, es mit Rom und Palästina zu vergleichen.
So lesen wir in der Nr. 33 der MTA-Zeitschrift vom 28.01.1917, versehen mit dem Datum 06.08.1916 in einem Betrag von Wilhelm Witte:
„Ja, unsere Kapelle ist wirklich ein Gnadenort, wo die 'Dreimal Wunderbare' mit ihrer ganzen Macht wirksam ist, sie ist ein zweites Nazareth, wo Jesus und Maria in innigstem Verkehr miteinander leben. Und ich zweifle nicht mehr, daß Schönstatt seinen Teil beitragen wird zur religiösen Wiederbelebung unseres Vaterlandes.“
Während seiner Inhaftierung im Konzentrationslager in Dachau formuliert Pater Kentenich die Tageszeit-Gebete, also das „Tagesoffizium“ oder die „Horen“. Ihren Aufbau und ihren Sinn erklärt er selbst während der Oktoberwoche 1945. Er sagt:
„Unser ganzes Offizium ist auf denselben Ton abgestimmt. Schon gleich die Einleitung. Hier ist in schönstättischer Weise das Einleitungsgebet des römischen Offiziums ausgedeutet: in unione.
,Im Geiste knie ich vor Deinem Bilde,
Du Dreimal Wunderbare, Starke, Milde,
vereint mit allen, die sich dir geweiht
und für Dein Reich zu sterben sind bereit.‘(…)
,Wir wollen uns in Deinem Bilde spiegeln
und unser Liebesbündnis neu besiegeln.
Mach uns, Dein Werkzeug, Dir in allem gleich,
bau überall durch uns Dein Schönstattreich.‘Und dann wird ganz Palästina übertragen nach Schönstatt.
In den ersten beiden Zeilen wird jeweils der Leitgedanke namhaft gemacht. Und alle Orte, die im Leben des Heilandes und der Gottesmutter von großer Bedeutung sind, werden in der ersten Strophe jeweils gekennzeichnet, um dann in der zweiten Strophe zu zeigen: die Gottesmutter und der Heiland nicht nur damals in Israel, sondern hier in Schönstatt.
,Dein Heiligtum ist unser Nazareth,
das in der Nacht der Zeit verborgen steht.‘Wollen Sie, bitte, darauf achten, wie hier die Gottesmutter immer gekennzeichnet wird in ihrer Beziehung zum Heiland? Der Heiland, die große Sonne! Welche Aufgabe hat die Gottesmutter der Sonne gegenüber? Die erste Strophe zeigt uns ihre Mitwirkung am Anfang der Heilsgeschichte.
,Dort ringst Du, Unbefleckte, im Gebete,
voll Sehnsucht nach des Heiles Morgenröte;
dort ist's, wo Gabriel den Antrag stellt
und durch Dein Fiat sich die Welt erhellt.‘Auch hier in Schönstatt ist der Heiland immer verbunden mit der Gebenedeiten unter den Frauen.
Laudes:
,Dein Heiligtum ist unser Bethlehem,
durch seinen Sonnenaufgang Gott genehm!‘Prim:
,Dein Heiligtum ist unser Nazareth,
in dem die Christussonne wärmend steht.‘Der Lauf der Sonne wird ständig verfolgt und dann in symbolhafter Deutung wirksam gezeigt an den jeweiligen Orten in Palästina, um dann dieselbe Wirksamkeit hier in unserem Heiligtum zu erreichen.“
Die Horen erklären also die Parallele zwischen der Heilsgeschichte, wie sie sich an konkreten Orten in Palästina abgespielt hat und der „Heilsgeschichte“, wie sie sich am Gnadenort Schönstatt verwirklicht. Sie laden ein, diese Parallele jeden Tag neu zu betrachten und so die große Heilsgeschichte im eigenen Leben konkret zu sehen und wieder zu finden.