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Beobachtungen von Pater Menningen

Ich vermute

(erstens), das ist jetzt eine Vermutung, daß von Anfang an (also seit 1912) funktional bei ihm (dem Spiritual P. Kentenich) Marieninnigkeit, nicht nur in seiner Person, sondern auch in der Erziehung wirksam gewesen ist;

zweitens, daß seine Marienverehrung, zu der er damals anleitete und in die er einführte, bereits lokal bezogen war.

Das erste Zeichen der lokalen Beziehung sehe ich in dem kleinen Kästchen, in der Pappschachtel mit den Vorsätzen auf dem Altar des Kapellchens. Später werden daraus die Beiträge zum Gnadenkapital für die Gottesmutter im Kapellchen. Parallel dazu entwickelte sich die Überzeugung: Das ist ein Gnadenort! Die ist 1915 schon aufgekommen.

… An und für sich wäre es möglich gewesen, daß dieses Kästchen auch anderswo gestanden hätte. Daß man aber dieses Schächtelchen da auf dem Altar aufstellte, zeigt eine Tendenz, eine Tendenz zu dem Heiligtum, eine Tendenz zur Gottesmutter, eine Tendenz zu dem, was man später Beiträge zum Gnadenkapital genannt hat.

Weitere Einzelheiten über seine neuen Beobachtungen 1970 aus dem Munde des 70-jährigen Pater Menningen:

Das Gnadenkapital war schon angedeutet in dem Kästchen mit den Vorsätzen der Selbsterziehung, die wir im Mai 1915 faßten.

Wir kamen nach Ostern 1915 aus Ehrenbreitstein zurück. Bei der Gelegenheit habe ich das Kästchen vorne auf dem Altar gesehen. Es stand auf dem Altar, auf der „Margarinekiste“, wie wir oft sagten. Es war ein Notaltar. Er war so ganz notdürftig zusammengehauen; wir haben immer gesagt, da haben sie ein paar Margarinekisten auseinandergerissen und haben daraus den Altar gemacht. Übrigens war unter ihm das Kohlenlager, mit dem Fritz Esser und Josef Hagel das Kapellchen geheizt haben. Sie haben die Vorräte des alten Hauses heimlich herausgeholt und haben sich oft scherzhaft ausgedrückt: Mit besonderer Genehmigung der Gottesmutter; oder: Im besonderen Auftrag der Gottesmutter habe er (Josef Hagel) den Pater Auer hintergangen und habe dort ein Kohlenlager eingerichtet, damit es im Kapellchen immer gut warm sei und auf diese Weise die Besucher angezogen würden.

Jetzt zurück zu dem Kästchen. Als wir aus Ehrenbreitstein zurückkamen, ist mir diese Veränderung aufgefallen …

Schon im Oktober 1914 sind mir Veränderungen aufgefallen, denn ich habe des öfteren während der Ferien Besuche in Schönstatt gemacht, um im Lazarett Kriegsgeschichten zu erfahren. Ich war brennend interessiert daran. Ich bin dann zum Bruder Maßmann gegangen oder zu diesem oder jenem, die dort als Verwundete lagen, und habe gebohrt: ‚Ach führen Sie mich doch mal, bitte, zu Soldaten hin, die viel erlebt haben, zu Offizieren, die ihre Ehrenzeichen bekommen haben oder zu anderen, die mitten in den Schlachten gewesen sind. Ich würde deren Berichte gerne mal hören.’ –

Ich bin also öfters (von Hillscheid) nach Schönstatt gegangen. Und bei einem dieser Besuche kam ich auch ins Kapellchen und geriet aus dem Staunen nicht mehr heraus, was sich da verändert hatte. Da waren die Wände verfugt worden, die herausgebrochenen Steine waren ersetzt worden. Das sah also alles wieder einigermaßen geordnet aus, nicht daß man meinen mußte, wenn das noch lange geht, dann bricht das Kapellchen zusammen. Es war nicht eigentlich neu verputzt, der alte Verputz war noch da, aber verkleistert. Das Dach war auch wieder in Ordnung. Unten auf dem Fußboden waren keine Lachen mehr. Was aber am meisten in Erstaunen versetzte, das war der himmelblaue Chor mit den goldenen Sternen. Das haben wir wunderbar gefunden. Es war kitschig genug, aber für uns ein erhabener Anblick. Blau, himmelblau. Und die Sterne in diesem himmelblauen Feld glitzerig, gold; das war alles so angetan nach einem echten Marienkapellchen.

Anmerkung zum Fußboden: Der Fußboden war zu dieser Zeit noch ein gestampfter Lehmboden ohne festen Stein- oder Holzbelag; ein Steinboden kam erst 1916 ins Heiligtum, der dann 1924 durch einen Holzboden ersetzt wurde.

Anmerkung zum Chorraum: Pater Menningens Erzählung erweckt den Eindruck, als sei das Chörchen gleichmäßig himmelblau ausgemalt gewesen und mit goldenen Sternchen versehen. Dagegen spricht die fotographische Aufnahme, die deutlich ein Ornamentmuster zeigt, so daß notwendig eine Differenzierung angebracht werden muß.

Diese Veränderungen, die waren staunenswert. Ich wußte allerdings nicht, warum das geschehen sollte. Ich habe mir gedacht: na ja, das alte Kapellchen mußte ja repariert werden. Jetzt hat man ihm halt ein einigermaßen gültiges Aussehen gegeben.

Und da stand nun auf dem Altar ein Kästchen. Während der Besuchungen fiel mir auf, daß die Älteren – ich habe gesehen den Max Brunner, den Nikolaus Wilwers, den Albert Langner, den Albert Eise und noch einige andere – nach vorne gingen zu dem Kästchen; sie zogen ein Zettelchen, steckten es wieder hinein und gingen wieder fort.

Ich dachte mir: da muß ich dahinterkommen, was da los ist! Dann habe ich gewartet, bis niemand da war, habe das Kästchen untersucht und alle Zettel durchgeblättert. Ich traute meinen Augen nicht. Da stand: Im Studiersaal Silentium gehalten; die Offizien gut gehalten; den Präfekten Pater Auer im Umgang höflich behandelt; pünktlich aufgestanden; die Sodalengebete gut gebetet. Das waren eine Unsumme von Opfern.

Jetzt konnte ich mir keinen Reim darauf machen: Warum legen die diese Vorsätze in einem Kästchen zusammen, in einer Pappschachtel, und stellen die da auf den Altar?

Wir hatten die Gründung der Marianischen Kongregation am 19. April 1914 nur von ferne erlebt und wurden verjagt von den Großen, als wir bei der Gründungsfeier in die Hauskapelle wollten. Man hat später erzählt, der Pater Klement wollte dafür bürgen, Josef Engling sei, weil er ein großer, stattlicher Junge war, hereingekommen und sei dabei gewesen. Ob das stimmt, weiß ich nicht. Jedenfalls wurden wir verjagt: wir waren aber als Jüngere gespannt und neugierig, was der Pater Spiritual da angestellt habe. Als wir von Ehrenbreitstein an Ostern zurückkamen, hatte man gerade den vorausgehenden Kurs, den Kurs Josef Englings, am 11. April 1915 in die Kongregation aufgenommen; diese hielten bereits Versammlungen unter dem Präfekten der Minor Alfons Haendly. Dann hörten wir, die hielten Vorträge, da finden Diskussionen statt, und in den Kongregationsversammlungen werden Beschlüsse gefaßt. Das drang alles so durch und erregte natürlich unsere Wißbegier und Neugier, ja auch unseren Widerspruch. Und in diesem Sinne – das weiß ich noch genau – habe ich dem Paul Reinhold vorgehalten: Paul, das sind doch gar nicht Eure Vorträge, die habt Ihr abgeschrieben aus Büchern. – Der Paul: Nein, die machen wir selbst! – Ich: Wer leitet denn die Diskussion? – Er: Der Josef Engling! – Ich: Das kann ja gar nicht sein, der stolpert doch über seine eigene Zunge; wie kann der eine Diskussion leiten? Und was macht der Pater Spiritual? – Er: Der sitzt hinten in der Ecke! – Ich: Der sitzt in der Ecke? Der hat doch nichts in der Ecke zu tun, der muß doch die Vorträge halten und die Instruktionen …

Anmerkung zu Josef Engling: Auf dieses Zeugnis von Pater Klement geht wohl die Tradition zurück, Josef Engling sei bei der Gründung dabei gewesen; dabei wurden dann die Gründung der Marianischen Kongregation am 19.4.1914 und die Gründung des Heiligtums am 18.10.1914 verwechselt, denn bei letzterer war Josef Engling nach dem Zeugnis von Pater Andreas Schäfer, seinem Landsmann, sicher nicht in Schönstatt anwesend.

Das alles schien mir unglaublich. Und jetzt das mit dem Kästchen!

Da bin ich zum Pater Spiritual (gegangen): Also, wie ist das hier mit der Kongregation? Da werden also Vorträge gehalten, die wollen die Sodalen selbst gemacht haben; da soll eine Diskussion sein, von der geht das Märchen rund, der Josef Engling würde sie leiten. Und unten ins Kapellchen gehen die Sodalen der Maior zu einem Kästchen und ziehen die Vorsätze.

Das alles hat er sich schmunzelnd angehört. Er war hocherfreut über diese Fragen und antwortete: Willst Du darüber nicht mal mit dem Josef Engling sprechen?

Das war ein kalter Wasserstrahl für mich.

Mit dem? Nein! Nie!

Der Spiritual blieb fest; er hat mir keine Auskünfte gegeben. Im Gegenteil: Doch, sprich mal mit dem Josef Engling darüber.

Der Fall ging also mit dieser Enttäuschung aus. Aber ich kam nicht zur Ruhe. Und bei den üblichen Beichten … kam der Herr Pater nicht mehr auf die Sache zurück; er hat mich nicht gefragt, ob ich mit dem Josef Engling gesprochen habe …

Ich kam nicht zur Ruhe. Eines Tages habe ich mich doch an Josef Engling herangepirscht, und da merkte ich, wie der sofort zugepackt hat, als ich ihn fragte: Höre mal, kannst Du mir nicht mal die Kongregation erklären?

Später habe ich erfahren, daß der Herr Pater ihn gleichsam auf mich „gehetzt“ hat, und der Engling hat lange gewartet, sehr lange, und als ich kam, hat er sofort zugepackt. Er hat mir die Kongregation erklärt.

Anläßlich einer Beichte sagte ich dann zum Herrn Pater: Herr Pater, ich habe mit dem Josef Engling gesprochen. – Worüber habt Ihr denn gesprochen? – Über die Kongregation. – So? Was hat er Dir denn erzählt? – Ich muß wohl etwas lebhaft und angeregt gesprochen haben …

Der Vorgang ist mir unauslöschlich in Erinnerung geblieben …

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