> Ansprache von P. Josef Kreß PSM

Ansprache von P. Josef Kreß PSM 1946

Deutung des Generationssymbols

Vor 32 Jahren erklang an dieser hl. Stätte zum ersten Male das Wort: „Alle, die hierher kommen, sollen die Herrlichkeiten Mariens erfahren.“

Wie oft sind wir in den letzten zwanzig Jahren hierher gewallfahrtet! Wie oft haben wir die Wirklichkeit dieser Worte erleben dürfen. Hundert und tausendmal haben wir die Herrlichkeiten Mariens erfahren. Und wenn wir jetzt in heiliger Stunde beisammen sind, dürfen wir hier wiederum die Herrlichkeiten Mariens in einer ganz besonders tiefen Weise erleben.

Unser Zusammensein hier ist kein Zufall. Jahrelang haben wir gemeinsam gerungen um unsere Generationsgemeinschaft und unser Generationsideal. Dann kamen die sieben mageren Jahre, die uns in alle Welt zerstreuten, die uns an die Fronten führten: nach Rußland, Frankreich, Norwegen, Italien, Balkan und Afrika, die uns hinausschleuderten über die Meere nach Kanada, Nordamerika, Südamerika und Australien, ins Konzentrationslager und in das ewige Schönstatt. Viele von denen, die mit uns hier gebetet und gerungen haben, sind eingegangen in die ewige Heimat.

(Anmerkung: In dem Berichtsheft von Heinrich Kaiser kommt auf den Seiten 10-12 eine Totentafel aller verstorbenen Priester und Patres, die zur Generation gehörten.)

Die Gemeinschaften waren zerschlagen, die einzelnen isoliert in einer gottfernen und gottfeindlichen, entsittlichten und entarteten Welt. Neun Jahre haben wir uns hier nicht mehr treffen können, und dennoch ist das damals Erbetene und Errungene nicht zusammengebrochen; einiger denn je stehen wir da, klarer sehen wir das gemeinsame Ziel, und wir sind entschlossen, es auch zu verwirklichen.

Es ist eine große Gnade, daß wir hier so stehen. Wir verdanken es dem weisen, gütigen und machtvollen, fast unmerklichen Walten unserer Bundesherrin und Bundesmutter.

Diese Stunde soll sein: ein gewisser Abschluß unseres bisherigen gemeinsamen Ringens, aber auch ein Neubeginn. Diese Stunde mag noch einmal die letzten Tage wie in einem Brennpunkt zusammenfassen.

Am ersten Tage unserer Tagung schauten wir in die Vergangenheit, in unser Ringen, Kämpfen, Versagen und Siegen, in die Herrlichkeiten Mariens, die uns mit weiser, gütiger und mächtiger Hand durch all die Sturmjahre hindurchführte bis zum Erlebnis dieser Stunde.

Am zweiten Tage versuchten wir einen Blick zu tun in unsere zukünftige Aufgabe in den Einzelverbänden und in die Aufgaben der Gesamtfamilie.

Am dritten Tage ging unser Blick in die Gegenwart des Jenseits, um mit den Toten, den wahrhaft Lebenden, in Fühlung zu bleiben. Es erging uns wie den Aposteln nach der Himmelfahrt des Herrn. Auch sie waren, nachdem ihr Herr und Meister sie verlassen hatte, allein und ganz auf sich selbst gestellt. Und doch waren sie nicht allein: Sie hatten ja die Mutter und Königin in ihrer Mitte, die ihnen den Hl. Geist erflehte. So waren auch wir in den vergangenen Tagen nicht allein: Die Mutter und Königin war mitten unter uns. Sie ist die eigentliche Tagungsleiterin, und wer Augen hat, zu sehen, hat bemerkt, wie sie uns durch alle menschlichen Unzulänglichkeiten hindurch sicher zum Ziel geführt hat.

In dieser (morgendlichen) Stunde sind wir zusammengekommen, um ihr ein Weihegeschenk zu machen, eine Pfingsttaube. Dieses Weihegeschenk soll sein: 1. ein Symbol und Zeichen der Einheit; 2. ein Symbol und Zeichen unserer gemeinsamen Sendung; 3. eine Dankesgabe; 4. eine Huldigungsgabe an unsere Herrin und Mutter, die Dreimal wunderbare Mutter und Königin von Schönstatt, die Königin der Apostel.

1. Ein Symbol der Einheit.

Ja, wir sprechen heute, in dieser Weihestunde, ein aufrichtiges, zuversichtliches, siegfrohes Ja zueinander. Dieses Ja stützt sich nicht auf unsere menschliche Bravheit und Begabung, sondern vornehmlich auf unseren marianischen Vorsehungs- und Sendungsglauben. Wir haben einander als Werkzeuge unserer lieben Dreimal wunderbaren Mutter und Königin erkannt, die berufen sind, gemeinsam ihr Werk, den Schönstattdom, zu bauen. Wir alle sind Kinder und Werkzeuge der MTA, der Königin der Apostel. Deswegen sprachen wir zueinander ein aufrichtiges, zuversichtliches Ja. Zuversichtlich: Wir stützen uns nicht auf unsere eigene Kraft und Weisheit, sondern vornehmlich auf die Kraft und Weisheit des Hl. Geistes, die uns die Mutter erfleht, und deswegen sind wir voller Zuversicht zueinander. Wir sprechen ein siegfrohes Ja zueinander. Wenn die Gottesmutter uns in der Vergangenheit so sicher und wunderbar führte, dann wird sie in der Zukunft auch alles zum guten Ende führen.

Wir sprechen dieses Ja vor unserer Herrin und Mutter. Wir sprechen es vor Jesus Christus, unserem Meister und König, der im Tabernakel unter uns weilt. Wir sprechen es vor dem Vater, der das All erfüllt, und vor dem Hl. Geiste, der alles bewirkt, was Leben ist. Wir sprechen es vor St. Michael und allen himmlischen Heerscharen, vor St. Josef, dem Schutzherrn der Kirche, vor Petrus und Paulus und allen Aposteln, den Säulen der Kirche.

Ganz besonders aber (sprechen wir unser Ja) auch vor unserem Ehrwürdigen Stifter, unserem geistlichen Vater Vinzenz Pallotti, den Gott und die Gottesmutter auserwählten, die erste Quelle unserer Familie zu werden, und der heute vor hundert Jahren mit seinem Nachfolger P. Vaccari die hl. Weihe ablegte und damit die Priestergemeinschaft der Schönstattpatres gründete.

(Anmerkung: Eigenartigerweise gebrauchte Pater Kreß schon 1946 die Bezeichnung „Schönstattpatres“.)

Wir sprechen unser Ja auch vor Josef Engling, der heute vor 28 Jahren durch sein Lebensopfer Baustein und Grundstein werden durfte im Schönstattdom.

Wir sprechen unser Ja zueinander vor allen Schönstattkindern, Pallottisöhnen und -töchtern in der ewigen Heimat und vor der Gesamtfamilie hier auf Erden.

Wir sprechen es im Geiste der Liebe, im Geiste Jesu Christi und im Hl. Geiste. Nur er ist das Band der Einheit. Deshalb ist unser Symbol ein Zeichen der Einheit.

Es ist aber auch

2. ein Symbol der gemeinsamen Sendung.

Was ist das für eine Sendung? Der Hl. Geist hat die Sendung, Seele der Kirche zu sein. So wollen auch wir Schönstattpriester und Schönstattpatres Seele des gesamten Schönstattwerkes sein, die einen mehr in Pfarrei und Diözese, in der ordentlichen Seelsorge, die anderen mehr in der außerordentlichen Seelsorge, jede Gemeinschaft in der sich aus ihrer speziellen Aufgabe ergebenden Eigenart. Aber wir bauen gemeinsam am gemeinsamen Werk und an der gemeinsamen Aufgabe, und deswegen haben wir ein gemeinsames Symbol gewählt. Und wie sollen wir diese unsere gemeinsame Aufgabe erfüllen, dort, wo wir stehen, Seele zu sein für das Gesamtwerk? Wir verkörpern das CoenaculumIdeal in unserer Gemeinschaft und in der gesamten Bewegung und durch diese in der ganzen Kirche und Welt. Es ist das Ideal der mariengebundenen, eucharistischen, geisterfüllten, apostolischen Gemeinschaft.

So sollen wir in beiden Verbänden, je an unserer Stelle, arbeiten und ringen um die innere und äußere Geschlossenheit in der Gesamtfamilie. Das ist unsere Generationssendung. Wir wissen, daß sie noch nicht erfüllt ist und daß noch viel zu tun ist. Doch gehen wir siegesfroh an die Arbeit, denn wir sprechen in dieser Stunde nicht nur ein Ja zueinander, sondern auch zu unserer Herrin und Mutter.

Und so komme ich zum Folgenden: Unser Symbol ist

3. eine Dankesgabe.

Wie oft haben wir dieses Ja zur MTA gesagt, wenn wir unsere Weihe ablegten oder sie erneuerten, und wie oft hat die Mutter ein Ja zu uns gesagt. Wie hat sie uns behütet und beschützt in all den Jahren!

Ist es nicht ihr Werk, daß wir heute hier zusammen sind? Wie oft haben wir in unserer Soldatenzeit das hl. Opfer und die hl. Kommunion entbehren müssen, wie oft haben wir der Mutter Nähe gespürt in Dachau, an der Front und im Bombenkrieg der Heimat. Es ist kein Zufall, daß wir hier im Kapellchen sind, daß das Kapellchen noch steht, vollkommen unversehrt. Ich habe die letzten zwei Kriegsjahre hier beim Heiligtum verleben dürfen. Wie oft sind die Bombengeschwader in Massen über das Schönstatttal gezogen, wie oft haben sie die nächste Umgebung bombardiert, vierzig Bomben am Eingang des Bembermühlentales, etwa hundert Bomben auf die Schafweide über dem Berg des Studienheimes, etwa ebenso viele Bomben einmal auf die Bahnstrecke in der Stadt Vallendar, einmal ein viermotoriger Bomber auf den Steinbruch neben dem Bundesheim abgestürzt, das Schönstattal wird am Schluß fast drei Wochen lang von der Artillerie beschossen, zwei Geschosse vor das Bundesheim, zwei Treffer dahinter, einer auf das Dach, zwölf Treffer in den Garten der Steyler Schwestern (Marienau), der letzte Treffer in allernächster Nähe des Kapellchens vor die Wasserburg, und im Kapellchen nicht einmal eine Scheibe gesprungen. Im letzten Augenblick sollte Vallendar noch bombardiert werden.

Ob wir Grund zum Danken haben? Für all den Schutz und die gütige Führung in diesen Sturmjahren? Und wieviel Schutz und Führung in den vergangenen hundert Jahren der Priestergemeinschaft der Schönstattpatres? Außerordentliche Schwierigkeiten von innen und außen, die das junge Pflänzchen im Keime zu ersticken drohten zum furchtbaren Schaden für die Kirche. Und sie sind alle überwunden und werden überwunden, weil von Anfang an die Schlangenzertreterin hinter dem Werke steht, weil sie von Anfang an Patronin und eigentliche Gründerin dieses Werkes ist. Ob wir da nicht Grund haben, ihr zu danken und ihr in diesem Symbol ein Dankesgeschenk zu machen?

Aber es soll auch sein

4. ein Huldigungsgeschenk.

Das Erlebnis vergangener weiser Führung treibt uns an, uns noch inniger an Maria zu binden. Einzeln haben wir das schon oft getan. Heute aber wollen wir das als Generationsgemeinschaft tun, wollen unsere Generationsgemeinschaft unserer Mutter und Herrin weihen. Weiheakte sind immer Akte des Glaubens und der Hingabe. Wir glauben in diesem Weiheakte an die Stellung Mariens im Heilsplane, wir glauben an ihr Königtum und Muttertum auch uns gegenüber. Und wir schenken ihr unsere ganze Hingabe. Wir erkennen sie an als unsere Königin und schenken ihr zum äußeren Zeichen das Symbol der Taube. Ist der Hl. Geist doch gleichsam die Krone, mit der Gott selbst ihr Wesen gekrönt hat. Dreimal tat er das: zum ersten Male, als Maria als Immaculata ins Dasein trat, zum zweiten Male, als der Hl. Geist in größerer Fülle auf sie herabkam im Kämmerlein zu Nazareth und sie zur Gottesmutter machte, und zum dritten Male, als sie inmitten der jungen Kirche den Hl. Geist erflehte. Ewig bleibt sie mit dieser Krone gekrönt.

Wir wollen ringen und uns mühen, daß ihre Krone auch über unserem Leben schwebt, daß in der Feinhörigkeit und Folgsamkeit gegenüber der Gnade Mariens Herrschaft in unserem Leben mehr und mehr verwirklicht wird. Nicht unser Wille und unsere Wünsche sind maßgebend, sondern Gottes Wille und Mariens Wünsche, die uns im Wehen des Hl. Geistes kund werden.

Und damit komme ich zum letzten Punkt:

Das Symbol soll uns eine stete Mahnung sein, nach den höchsten Höhen der Vollkommenheit streben zu wollen. Je höher wir kommen, um so seliger werden wir, um so fruchtbarer sind wir für andere Menschen, für das Gottesreich, um so mehr verherrlichen wir Gott. Das Symbol der Pfingsttaube ist an der höchsten Stelle im Kapellchen angebracht, eine Mahnung für uns Priester, immer auch nach dem Höchsten zu streben, wenigstens der ernsten Sehnsucht nach. Die Höhenlage der Blankovollmacht und Inscriptio ist nur möglich aus der Liebe, und diese wird uns geschenkt vom Hl. Geiste, dem Geiste Jesu Christi, dem Geiste der Liebe. Nur dann, wenn uns dieser Hl. Geist in Fülle geschenkt wird, werden wir unsere große Generationssendung im Geiste der Blankovollmacht und Inscriptio erfüllen.

So laßt uns ringen und beten um die Verwirklichung unserer großen gemeinsamen Aufgabe und uns als marianische Pfingstgemeinschaft unter der Führung Vinzenz Pallottis und Josef Englings als Werkzeuge der Dreimal wunderbaren Mutter und Königin der Apostel restlos und rastlos einsetzen für das sieghafte Schönstattreich in unserem Vaterlande und in aller Welt.

Wir sehen das Coenaculum-Ideal nicht irgendwo draußen in den Lüften schweben: Für uns ist das Coenaculum vornehmlich dieses Heiligtum hier. Hier ist uns die Apostelkönigin als Dreimal wunderbare Mutter besonders nahe. Hier finden wir Christus und alle seine Heiligen. Um dieses Heiligtum schart sich als lebendige Coenaculum-Gemeinde unsere ganze Schönstattfamilie. Wir dürfen nicht ruhen und nicht rasten, bis unsere ganze Familie dieses Gepräge hat, bis unser ganzes deutsches Volk und die gesamte Weltkirche ein lebendiges Coenaculum geworden sind, damit bald ein Hirt und eine Herde werde, damit Christus König sei allüberall und dem Vater das Reich übergebe und Gott alles in allem sei. Amen.