> Pater Kentenich über die Geschichte des MTA-Bilds

Pater Kentenich über die Geschichte des MTA-Bilds

Von da aus gesehen müssen wir zunächst einmal uns fragen: Wie kamen wir zu dem Bilde?

Das ist nicht von vornherein nach bestimmten Überlegungen reflexiv gewählt worden, sondern es ist eben (so): Im Plane lag das, ermittelt durch das Gesetz der geöffneten Türe.

Sie können das heute wohl kaum verstehen, in welcher Situation wir damals waren. Was ich damals mit unserer Jugend wollte, das mußte ich natürlich bis ins äußerste verstecken und verbergen. So war das auch – nachdem das Heiligtum sich uns ausgewiesen hatte oder wir es erbettelt hatten als eine Gnaden und Erziehungsstätte – mit dem Wunsch nach einem großen Marienbild. Es lag ja sehr nahe, schon allein bei der Sinnenhaftigkeit der Jugend und auch beim populären Denken, auch ein (eigenes) Bild zu bekommen. Da war natürlich die große Sorge: Woher bekommen wir ein Bild? Wir haben uns damals so stark im Hintergrunde, gleichsam im Keller, aufhalten müssen, daß wir halt immer wieder überlegten: Wir dürfen nicht auffallen, wir müssen alles stark im Hintergrunde tun, so daß man nur ja nicht merkt, was wir eigentlich wollen.

Und so kam es, daß wir zunächst in großer Verlegenheit waren. Ich habe Ihnen das schon einmal zu Bewußtsein gebracht: Einer von unseren Jungen, Bezold (Anmerkung: Johann Bezold, geboren am 14.2.1897 in Bayern, am 8.12.1914 durch die Weihe in die Congregatio Maior aufgenommen. Er leitete später noch am 26. und 27.8.1919 den erfolgreichen Feriensodalentag in Vierzehnheiligen/Bayern, über den es in der Nr. 1-3 der MTA vom 15.11.1919 einen längeren Bericht gibt. Im Archiv befindet sich noch eine Karte mit mehreren Unterschriften der Teilnehmer, die sie von dort an die Sodalen in Schönstatt sandten. Danach ist über Johann Bezold nicht mehr viel bekannt.) hat er geheißen ... Der hatte damals, ich will nicht sagen Beziehungen, sondern in der Nachbarschaft seiner Heimat lebte die Freiin von Oer. Und wie das so bei Jugendlichen ist, wenn die mal begeistert sind – sie hat ja die Immakulata schön gemalt, nicht? –, da hat er sich entschlossen, an sie zu schreiben, sie solle uns ein Bild malen. Der Brief ist von ihm geschrieben worden, er ist aber natürlich nie abgesandt worden. Der blieb nämlich beim Rektor oben auf dem Tisch liegen ...

Und nun kommt ein ausgetretener Jesuit (ins Spiel), Huggle hat er geheißen, der saß bei Tisch immer neben mir. Und wie das so geht: In der Unterhaltung kamen wir halt so auf die Marienbilder zu sprechen, und er sagte: Doch (da könne er weiterhelfen), er habe in Freiburg in einem Althändlerladen ein ganz schönes Marienbild gefunden. Da habe ich ihm gesagt, er soll es sich doch mal schicken lassen, kommen lassen. Ich wollte es ihm dann bezahlen. Soweit ich mich entsinne, hat es etwa 23 Mark gekostet (und) so etliche Pfennige. (Aber da) wollte er natürlich nichts dafür haben.

Man kann ja jetzt sagen: das ist Hilflosigkeit ...

Ich sehe das immer, all diese kleinen Dinge, nach dem Gesetz der geöffneten Tür.

(Das) ist die Tatsache als solche.

(Das) Bild hat niemand gefallen. Aber weil wir nichts anderes hatten ...

Sehen Sie, das können Sie allerdings nur verstehen, wenn Sie unsere Hilflosigkeit, unsere ‚Arkandisziplin’ (Geheimhaltungspflicht) verstehen. So stark war das fremd, was wir wollten, gegenüber der Auffassung in der Gesellschaft (der Pallottiner), und auch in der Auffassung des Hauses!

Und wie Sie ja wissen: Ich habe dann nachher die Gelegenheit wahrgenommen, alles, was ich über die Gottesmutter gesagt, jetzt ins Bild hineinzulesen und es dann wieder herauszulesen. So hat sich das dann mit der Zeit gegeben, daß sich die persönlichen, inneren Affekte assoziativ mit diesem Bilde verbunden haben.

Nachträglich müssen Sie jetzt mal überprüfen: Welche Absicht hat der liebe Gott wohl mit diesem – wenn Sie wollen – Mißgriff? Ist egal, wie Sie das deuten wollen, nicht? Wenigstens künstlerisch gesehen (war das) ein Mißgriff, Fehlgriff. Welche Absicht (hat Gott) damit verbunden?

Es ist mir erst später zum Bewußtsein gekommen, daß unten im Refektorium, daß unten im Alten Haus – ich weiß nicht, ob der Saal noch dort ist, wenn man ins Haus herein kommt, ist ja rechts die Sakristei und dann links der große Saal –, das Bild der Mater ter admirabilis von Ingolstadt hing. Und eigenartigerweise ist mir überhaupt nicht der Gedanke gekommen, (dieses Bild zu erbitten), vermutlich schon deswegen (nicht), weil es ja dem Hause gehörte. Man durfte nicht auffallend sein. Ich weiß aber nicht einmal (ob ich darum gebeten hätte, wenn ich es gemerkt hätte). Es kann auch sein, daß ich es nicht einmal gesehen habe. Ich sehe nicht leicht Bilder, wenn ich nicht darauf aufmerksam gemacht werde. Ich meine, Sie müssen die Dinge so nüchtern nehmen, wie sie liegen. Also (einen) besonderen Grund (für die Ablehnung) weiß ich (nicht) – jedenfalls ist mir das nie zum Bewußtsein gekommen.

Sehen Sie mal, von welcher Bedeutung das war! Damit ist durch die Tatsache, daß das Bild nicht gewählt wurde – ist jetzt egal, wie das Bild aussieht – dokumentiert: die Unabhängigkeit von Ingolstadt.

Dann hatten wir das Bild von Pallotti (Anmerkung: Mater Divini Amoris). Das wissen Sie ja, wenigstens diejenigen, die drüben waren. Oben im Krankenoratorium hing das Bild. Und eigenartigerweise (ist mir) überhaupt nie der Gedanke gekommen, das Bild zu wählen, nicht? (Es) hätte an sich nahegelegen, das zu tun. Ich weiß auch nicht, ob ich es erbeten hätte (wenn mir der Gedanke gekommen wäre). Aber wir hatten ja keines. Das ist sehr nüchtern: war nichts da, (und) wir konnten kein Aufsehen machen. Welchen Vorteil hat das gehabt? Unabhängig! Damit ist also, äußerlich wenigstens, dokumentiert in etwa, wie unabhängig das Werk auch von Pallotti gewesen ist.

Das ist so, rein historisch betrachtet. Später habe ich dann immer gelehrt: Das Liebesbündnis ist essentialiter primario (wesensmäßig an erster Stelle) verknüpft mit dem Heiligtum. (Das) ist leicht nachzuweisen, nicht? Als der Gründungsakt getätigt wurde, gab es ja noch kein Bild. Wohl habe ich mich dann später für berechtigt gehalten, zu sagen: Weil das Bild verhältnismäßig bald hereingekommen (Anmerkung: April 1915.), hat es sich so zu einer organischen Einheit mit dem Heiligtume entwickelt. Wissenschaftlich untersuchend habe ich von da aus dann immer gesagt: Das Bild gehört wenigstens essentialiter secundario (wesensmäßig an zweiter Stelle) dazu.

Ich habe mich daran wieder erinnert, als es so vor einiger Zeit hieß (das Bild sei künstlerisch nicht wertvoll und müsse ersetzt werden) – was früher schon mal der Fall war ...

Unser Hermann Schmidt (Anmerkung: Dr. Hermann Schmidt (1895-1962), Schönstattpriester, Prälat in Fulda, Verfasser von „Organische Aszese“ (Paderborn 1938), „Geborgen im Vatergott“, „Brückenschlag zwischen den Konfessionen“.) zum Beispiel ist von diesen Dingen total unabhängig gewesen. Doch wie er in seinem Ideengang überhaupt sehr sprunghaft (war, so war es auch hier). Sie kennen ja wenigstens den Namen und seine Tätigkeit. Als dann später, als wohl die Bewegung schon etwas größer geworden (und) die Öffentlichkeit sich damit beschäftigte, (da) waren natürlich diese Typen sofort bereit, (zuzugestehen:) Das ist ja auch wahr, das Bild ist nicht künstlerisch, deswegen weg damit, ein anderes Bild her! Das hat mich dann natürlich immer wieder darauf hingewiesen, wir müßten die Metaphysik dieser Institution klären, nicht? Und wenn das Bild tatsächlich nach historischem Werdegang als essentialiter secundario anzunehmen ist, dürfen wir das Bild nachher nicht mehr ändern. Wenn der Herrgott mit Heiligtum und Bild nun tatsächlich einen gewissen Segen dokumentiert hat, dann haben wir nicht mehr den freien Willen, nachher dem Herrgott zu sagen: Du darfst das nicht, du mußt mit einem anderen Bilde wirksam sein ...

Wiederum nebenbei gesagt: Als ich das erste Mal in Afrika war – das muß 1947/48 gewesen sein (31.12.1947 – 4.4.1948); ja eigentlich das einzige Mal –, da ist es so selbstverständlich gewesen – das hing aber wahrhaftig nicht von Schönstatt ab –: das ist dort das populärste Bild! Fast in allen – oder wenigstens (in) ungezählt vielen – katholischen Familien findet man das Bild. Darüber hinaus müssen Sie einmal sehen, wie häufig in Südamerika das Bild anzutreffen war! Gewiß, gemessen an unserem deutschen künstlerischen Empfinden, wär' das Bild natürlich in dieser Form jedenfalls nicht Gott weiß wie zu begünstigen. Aber wir sind ja auch international. Wir müssen ja auch rechnen (mit seiner Wirkung) auf andere Völker ...

Anmerkung zum MTA-Bild: Obwohl die Frage nach dem künstlerischen Rang des MTA-Bildes nichts zu tun hat mit der Frage nach seiner Wirkung als heiliges Gnadenbild, kann man es doch verstehen, daß Forschungen über seine Herkunft angestellt und einige Informationen gefunden wurden. Wer sich für Einzelheiten interessiert, kann solche im Schönstattlexikon nachlesen.

Anmerkung zu Huggle: Genauere Angaben zur Person des Priesters und Lehrers Huggle sind nicht bekannt, nicht einmal sein Vorname ist überliefert.