> 1934 - Hauptgedanken des Vortrags

1934 - Heimholung der Heldensodalen

Die Hauptgedanken des Vortrags auf dem Kapellenplatz

Das Gaudeamus des Maria-Himmelfahrts-Tages klingt heute doppelt froh. Wir freuen uns wie immer über unserer Mutter Himmelsherrlichkeit. Aber auch über ihre Herrlichkeit, die sie hier an diesem Gnadenort seit Jahren der Welt offenbart. Heute sind zwei Generationen zur Schönstattwallfahrt gekommen, jene, die vor zwanzig Jahren drüben vom Heiligtum auszog mit einem Glauben im Herzen, der zunächst ein Wagnis war und der Ausdruck fand in dem Worte: „Nos cum prole pia, benedicat Virgo Maria!“ Ein Wagnis war dieser Glaube. Junge Menschen, fast noch Kinder waren es, die ihn trugen, die Zeichen standen auf Sturm. Das größte aller Wagnisse aber ist es, die Gewalten der Ewigkeit herunterzuholen auf die Erde und hier in menschlichen Leibern und menschlichen Händen Wirklichkeit werden zu lassen. Ein Wagnis war dieser Glaube, weil es galt, das Letzte, Blut und Leben, dafür einzusetzen. So zog einer von denen, die den Glauben damals im Heiligtum bekannten, hinaus mit den Worten: „Ave imperatrix, morituri te salutant!“ – Ave, Königin, die Todgeweihten grüßen dich. Und wenn wir ihn morgen in geweihter Erde wieder unter uns haben, wird sein Wort für uns zum lebendigen Vermächtnis und zu einer heiligen Erbschaft. Wahrhaftig, dieser Glaube ist zu einer Wahrheit und zu einem Urteil geworden. Damals wurde im Heiligtum drüben das Wort gesprochen: „Spätere Generationen mögen dann über uns einmal zu Gericht sitzen und das Urteil sprechen, ob wir groß genug gewesen sind, eine Sendung von der Gottesmutter zu empfangen.“ Bei ihrer Heimkehr, da meißelten die Lebenden drüben im Heiligtum in Stein die Worte ein: „Nos cum prole pia, benedixit Virgo Maria!“ Mit ihrem lieben Kinde hat uns die Gottesmutter gesegnet.

Heute sind die Toten mit uns zur SchönstattWallfahrt gekommen. Wenn wir ihre Hände ergreifen, dann ist es unsere Schwurhand, die ein heiliges, herrliches Erbe ergreift und eine heilige Sendung in neue und treue Hände nehmen will. Dann hören wir von unseren Toten ihren letzten Willen und machen ihn zu unserem Lebenswillen. Wir hören ihren letzten Willen: Hütet unseren Schönstattglauben!

Alles, was hier geworden ist, ruht auf dem Fundament unseres Schönstattglaubens, es ist Ausdruck der Überzeugung, daß unsere Dreimal wunderbare Mutter von Schönstatt sich hierher gebunden hat, um von hier aus ihr Reich aufzubauen.

Hütet unsere Schönstattsendung! Die Geschichte hat ihr Urteil gesprochen über die erste Schönstattgeneration, sie hat die Probe bestanden. Die Geschichte wird auch über uns, die zweite Schönstattgeneration, einmal ihr Urteil fällen. Dann wird es sich zeigen, ob unser Glaube, unser Wagemut, unsere Einsatzbereitschaft einer Heldengeneration und einer Dreimal wunderbaren Mutter von Schönstatt würdig ist. Schönstatt ist Gnadenort eigener Art, geschaffen von Himmelsmächten und irdischem Wollen. Zwei haben hier ihr Jawort gegeben. Die erste Schönstattgeneration, die ihr Leben gewagt, und die Gottesmutter, die zu diesem Wagemut ein Ja gesagt. Und darin liegt die Größe des Gerichtes, das über uns lastet: Schönstatt bleibt so lange, als wir durch entschlossenes Ringen nach christlichvollkommenem, nach marianisch-apostolischem Leben unser Jawort weitergeben und so das Ja der lieben Gottesmutter weiter verbürgen.

Hütet, so rufen unsere toten Schönstattpilger uns zu: Hütet unser heiliges Bild! Es ist unser Glaubens und Gnadenzeichen. Es ist dazu berufen, überall, wo immer es gläubige Menschen findet, als Gnadenbild zu wirken.

So reichen heute zwei Generationen in heiliger Wallfahrt sich die Hände. Wir wollen ein Geschlecht sein, ihrer und unserer Königin würdig. Dreimal wunderbare Mutter, sprich auch zu uns dein Jawort. Laß dein Schönstattgeheimnis das Geheimnis auch unserer Generation werden. Dann glauben wir, daß später einmal auch für uns das Wort Wahrheit wird: „Nos cum prole pia, benedixit virgo Maria!“

Am Sonntagabend schauten wir dem Spiel vom Schönstattgeheimnis zu. Es stellte uns anschaulich jene Kräfte vor die Seele, aus denen die Heldengeneration erwuchs. Nach diesem Spiel ordnete sich die Prozession, galt es doch, nun die toten Helden zur Mutter ins stille Heiligtum zu tragen. Liebevoll sorgende Hände hatten es würdig ausgestattet. Schweigend zog die endlose Schar durch das hintere Tor des Kapellenplatzes, am Schlößchen vorbei den breiten Weg hinauf zum Innenhof des Bundesheimes. Die Schüler des Studienheimes gingen mit einem der H. H. Patres ins Haus. Nachdem die Segnung der Leichen vorgenommen war, trugen je sechs Schüler die Särge hinaus. Es war gegen Mitternacht. Mit brennenden Fackeln bewegte sich nun der Zug an der ehemaligen Grotte vorbei durchs hintere Tor talwärts zum Kapellchen. Nie werde ich diesen Weg vergessen. Überall nur Nacht und Schweigen und – Licht!

Als wir Frauen den breiten Weg rechts vom Bundesheim abwärts schritten, bot sich unseren Augen ein erhebendes Bild. Die Spitze des Zuges war längst im Kapellenplatz angekommen. Fackel reihte sich an Fackel – durch den hinteren Hof um das Alte Haus herum, der Gartenmauer entlang herauf zum Bundesheim. Die Helden des Zuges folgten: von einem Kranz von Fackelträgern umgeben, trugen die Schüler hoch auf den Schultern die Särge mit den toten Siegern. Auf ihren Gesichtern – ernst, ergriffen, voll heiliger Ehrfurcht – lag die Weihe der Stunde. War doch die Heimholung der toten Heldensodalen zumeist ihr Werk. Den Särgen voran wallte das Christusbanner, ein blutrotes PX auf schwarzem Feld, das war das Zeichen, unter dem sie stritten und siegten. Dann folgte die Kongregationsfahne, die einst ihre Schwurhand berührt, als ihr Mund in glühender Marienminne die Worte sprach: „Das ist die Fahne, die ich auserkoren, die laß ich nicht, Maria sei’s geschworen!“ Diesen Fahneneid haben sie als treue Marienritter mit ihrem Herzblut besiegelt.

Immer wieder mußte ich schauen auf den Flammenkranz, der die Särge umlohte. Er ward nur Symbol für jenes Licht, jenes Feuer, das in den Herzen dieser Helden so glutvoll einst hier im Kapellchen entzündet, das sie gehütet, ja zu hellerer Glut entfacht in den dunklen Schrecken des Krieges, das sie nun als heiliges Geschenk uns heimbrachten, damit wir Licht von ihrem Licht, Geist von ihrem Geist hinaustrügen in eine dunkle Zeit.

Im schwarz ausgeschlagenen Raum, unter dem Zeichen des Eisernen Kreuzes, umgeben von weißen Blumen, Kränzen und Lichtern setzte man die beiden schlichten, dunklen Särge nieder. Ein Gewinde von Eichenlaub umrahmte die weißen Inschriften: Hans Wormer, geb. am 6.10.1898, gestorben am 15.7.1917, darunter sein Spruch: „Aut Caesar, aut nihil!“ Auf dem zweiten Sarg stand: Max Brunner, geb. 12.12.1897, gest. am 23.4.1917, dazu jenes Wort, mit dem er vom Heiligtum aus in den Krieg gezogen: „Ave, imperatrix, morituri te salutant!“ Mir war, als seien die beiden toten Helden erst jetzt ganz daheim. Von hier waren sie ausgezogen, hier war die Heimat ihrer Seelen, nun sollten auch ihre sterblichen Hüllen ganz nah bei der Mutter ausruhen dürfen.

Die ganze Nacht hindurch war das Kapellchen von stillen Betern umgeben. Im Heiligtum aber neben den Särgen hielten vier Schüler des Studienheims mit Wimpeln in den Händen die Ehrenwache.